Die Schneeflocken-Methode

Auf meinem Instagram-Account @blasius.texte habt ihr euch vor Kurzem gewünscht, mehr über die Schneeflocken-Methode nach Randy Ingermanson zu erfahren.  Da eine komplette Zusammenfassung der Methode für einen einzigen Instagram-Beitrag zu umfangreich ist, habe ich euch dazu diesen Blogartikel verfasst. Viel Spaß damit!


Was ist die Schneeflocken-Methode

Die Schneeflocken-Methode ist eine Anleitung in zehn Schritten, an deren Ende die Rohfassung eines Romans stehen soll. Sie wurde von dem Physiker Randy Ingermanson entwickelt und bedient sich als Grundlage der Koch-Kurve des schwedischen Mathematikers Helge von Koch, die auch in Form der kochschen Schneeflocke bekannt ist. Sie bildet sich, wenn drei Koch-Kurven kombiniert werden. Die Koch-Kurve entsteht Schritt für Schritt, indem immer wieder Dreiecke hinzugefügt werden, bis sie so detailreich wie eine Schneeflocke ist.

Blick überhaupt nichts mit dem Schreiben eines Romans zu tun, aber es geht Ingermanson darum, dass – wie bei der kochschen Schneeflocke – durch das Hinzufügen kleiner Details am Ende ein Gesamtbild entsteht. Du sollst deinen Roman Schritt für Schritt designen.


Für wen eignet sich die Schneeflocken-Methode?

Die Schneeflocken-Methode eignet sich für alle Autor:innen, die bereits eine konkrete Idee für ihren Roman haben. Bevor diese Idee nicht da ist, helfen auch die zehn Schritte, die Ingermanson definiert hat, nicht weiter. Der erste Schritt der Schneeflocken-Methode ist also nicht der erste Schritt auf dem Weg zum Roman. Vorher ist es sinnvoll, Recherche zu betreiben, zu brainstormen, Charaktere zu entwerfen, sich inspirieren zu lassen. Ingermanson nennt diesen Prozess Komposition. Er beschreibt ihn als informellen Prozess, der für jede:n Autor:in unterschiedlich aussieht. 


Die zehn Schritte der Schneeflocken-Methode

Schritt 1: Ein-Satz-Zusammenfassung

Im ersten Schritt sollst du dir eine Stunde Zeit nehmen und deinen Roman in einem Satz zusammenfassen. Dieser Satz kann dir später noch als Mini-Pitch bei der Vermarktung helfen. Außerdem kann er dein Exposé einleiten und dient hier als Aufhänger.

 

Ingermanson gibt einige Tipps, die dir helfen sollen zu verstehen, was eine gute Ein-Satz-Zusammenfassung ausmacht:

  • je kürzer, desto besser (max. 15 Wörter)
  • keine Charakternamen, lieber eine Umschreibung der Person (z. B. »eine erfolgreiche Autorin«)
  • Verbindung des großen Ganzen mit der persönlichen Ebene der Charaktere

Als Beispiele für solche Ein-Satz-Zusammenfassungen gibt Ingermanson die einzeiligen Klappentexte der New York Times Bestsellerliste an. Ich habe dir ihre Website hier verlinkt, damit du dir einen Eindruck machen und in den Beispielen stöbern kannst: 

 

The New York Times Best Sellers 

 

Ein leicht abgeändertes Beispiel, das ich einmal im Zusammenhang mit Tipps zum Schreiben eines Exposés auf meinem Instagram-Account @blasius.texte geschrieben habe, lautet folgendermaßen: 

 

»Ein auserwählter Hobbit begibt sich mit einigen Gefährten auf eine gefährliche Reise, um einen machtvollen Ring sowie dessen bösen Meister zu zerstören.« 

 

Ich bin mir sicher, du erkennst, von welchem Buch die Rede ist!

Schritt 2: Ein-Absatz-Zusammenfassung

Der zweite Schritt ist die Erweiterung deiner Ein-Satz-Zusammenfassung zu einem Absatz. Auch dafür sollst du dir eine Stunde Zeit nehmen.

 

Die Ein-Absatz-Zusammenfassung soll den Aufbau deines Romans skizzieren und dabei auch die größten Katastrophen und das Ende enthalten. Ingermanson selbst teilt seine Geschichten in vier Viertel ein, wobei die ersten drei Viertel jeweils eine Katastrophe abbilden und das letzte Viertel das Ende. Diese Vorgehensweise ist aber rein optional und hängt ganz von deinem persönlichen Geschmack und deiner individuellen Art ab, einen Roman zu unterteilen. 

 

Ingermanson vergleicht seine Vorgehensweise mit der Drei-Akt-Struktur, aber sie ist nicht zwingend erforderlich, um den zweiten Schritt abzuschließen. 

 

Die Ein-Absatz-Zusammenfassung kannst du übrigens ebenso wie die Ein-Satz-Zusammenfassung für das Exposé deines Romans verwenden. 

 

Laut Ingermanson hat der Absatz idealerweise fünf Sätze: 

  • Satz 1: Hintergrund und Aufbau des Romans 
  • Satz 2: erste Katastrophe 
  • Satz 3: zweite Katastrophe 
  • Satz 4: dritte Katastrophe 
  • Satz 5: Ende 

Natürlich kannst du die Struktur an deine Geschichte anpassen, es sollte jedoch bei den fünf Sätzen bleiben.

 

Im Grunde ist die Ein-Absatz-Zusammenfassung nichts anderes als der Klappentext deines Romans und du kannst sie später genau dafür verwenden. 

Schritt 3: Charakter-Zusammenfassung

Nachdem du dich in den ersten beiden Schritten um einen Überblick über deinen Roman gekümmert hast, widmet sich Schritt 3 deinen Charakteren. Sie stellen für Ingermanson den wichtigsten Teil eines Romans dar und er plädiert dafür, ihnen und ihrer Entwicklung noch vor dem eigentlichen Schreiben viel Zeit zu widmen. Je ausgefeilter die Charaktere und ihre Entwicklung im Voraus schon sind, desto mehr zahlt sich das beim Schreiben aus.

 

Für den dritten Schritt sollst du dir für jede:n deiner Protagonist:innen jeweils eine Stunde Zeit nehmen und eine einseitige Charakter-Zusammenfassung schreiben. 

 

Diese Charakter-Zusammenfassungen sollten folgende Punkte enthalten:

  • Name des Charakters 
  • Ein-Satz-Zusammenfassung der Storyline des Charakters 
  • Motivation des Charakters 
  • Ziel des Charakters 
  • Konflikt des Charakters 
  • Erleuchtung (Veränderung) des Charakters 
  • Ein-Absatz-Zusammenfassung der Storyline des Charakters 

An dieser Stelle merkt Ingermanson an, dass es sinnvoll sein kann, noch einmal einen Blick auf die Ergebnisse der ersten beiden Schritte zu werfen und sie zu überarbeiten. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass du das machen musst, und es spart dir einen kleinen Teil der Überarbeitung des fertigen Manuskripts. 

 

Außerdem weist er nachdrücklich darauf hin, dass es nicht darum geht, bereits alles perfekt zu machen. Wie bei jedem Designprozess kann es sich später herausstellen, dass noch einmal etwas verändert werden muss. Das ist sogar unvermeidlich. Zunächst einmal ist es jedoch wichtig weiterzumachen, um eine Geschichte zu erhalten, die überarbeitet werden kann.

Schritt 4: Ein-Seiten-Zusammenfassung

An diesem Punkt ist es an der Zeit, die Geschichte weiter wachsen zu lassen. Du sollst dir also einige Stunden Zeit nehmen, um aus jedem Satz deiner Ein-Absatz-Zusammenfassung einen weiteren vollständigen Absatz zu machen. 

 

Ingermanson gibt hier den Tipp, dass alle Absätze, bis auf den letzten, in einer Katastrophe enden sollen. Der letzte Absatz soll das Ende des Romans erzählen. Als Ergebnis dieses Schritts hast du ein einseitiges Skelett deiner Geschichte, das dir eine gute Übersicht bietet. 

 

Wichtig ist hierbei, dass es keine Rolle spielt, ob die Zusammenfassung genau eine Seite lang ist. Das ist nur ein Richtwert. Es kommt vor allem darauf an, Ideen auszuarbeiten und Konflikte auszubauen. 

 

Im Grunde stellt die Ein-Seiten-Zusammenfassung eine Art Exposé dar und du kannst sie später genau dafür verwenden, auch wenn du sie wahrscheinlich noch ein wenig überarbeiten musst.

Schritt 5: Charakter-Übersichten

Für den fünften Schritt musst du etwas mehr Zeit einplanen – ungefähr ein bis zwei Tage. Du sollst nämlich eine einseitige Beschreibung für jede:n deiner Protagonist:innen schreiben. Diese Charakter-Übersichten erzählen deine Geschichte aus der Sicht des jeweiligen Charakters.

 

Auch hier kann es sinnvoll sein, noch einmal zu einem der vorherigen Schritte zurückzugehen und die Ergebnisse daraus zu überarbeiten.

 

Das Ziel dieses Schritts ist es, weitere Eigenschaften und Details deiner Charaktere herauszuarbeiten.

 

Laut Ingermanson macht ihm dieser Schritt am meisten Spaß.

Schritt 6: Plot-Übersicht

Im sechsten Schritt wiederholst du im Grunde Schritt 4 und baust jeden Absatz weiter aus, um deine Ein-Seiten-Zusammenfassung zu einer vierseitigen Plot-Übersicht zu erweitern. Nimm dir hierfür eine Woche Zeit.

 

In diesem Schritt wirst du höchstwahrscheinlich viele neue Ideen haben und triffst Entscheidungen, die sich strategisch auf deinen Roman auswirken. Daher wirst du auf jeden Fall zu den früheren Schritten zurückgehen, um sie zu überarbeiten.

 

Schritt 6 gibt dir eine Übersicht über die verschiedenen Handlungsstränge deines Romans und du hast damit bereits einen gut ausgearbeiteten Plot.

Schritt 7: Charakter-Blätter

In diesem Schritt widmest du dich wieder deinen Charakteren. Du sollst deine Charakter-Beschreibungen erweitern und vollständige Charakter-Blätter daraus entwickeln. Hierfür kannst du dir wieder eine Woche Zeit nehmen. 

 

Die Charakter-Blätter sollten alle Details enthalten, die es über den jeweiligen Charakter zu wissen gibt. Das fängt bei Standarddingen wie dem Geburtsdatum, einer Beschreibung des Äußeren, des Charakters und seiner Herkunft an und geht weiter bei seiner Motivation, seinen Zielen, Träumen und Wünschen. 

 

Der Fokus liegt in diesem Schritt eindeutig auf der Entwicklung der Charaktere. 

 

Auch hier wirst du die vorangegangenen Schritte wieder überarbeiten, denn auch die Persönlichkeit deiner Charaktere hat sich in diesem Schritt weiterentwickelt und die vorher festgelegten Rahmenbedingungen müssen möglicherweise – eigentlich ganz sicher – daran angepasst werden. 

 

Nach diesem Schritt, der durchaus länger als eine Woche dauern kann – völlig okay! –, bist du an einem Punkt angelangt, an dem du ein Exposé schreiben und deine Geschichte einigen Verlagen anbieten kannst – wenn du das möchtest.

Schritt 8: Szenen-Tabelle

In diesem Schritt triffst du Vorbereitungen, um dir das Schreiben des eigentlichen Entwurfs etwas zu erleichtern.

 

Die Grundlage dafür ist deine Plot-Übersicht aus dem sechsten Schritt. Schaue sie dir genau an und erstelle eine Tabelle mit allen Szenen, die du für deinen Roman brauchen wirst. Ingermanson rät, nur eine Zeile pro Szene zu nutzen, und dafür folgendes Schema zu verwenden:

  • erste Spalte: Szenen-Überschrift
  • zweite Spalte: Sichtweise (Aus der Sicht welchen Charakters ist die Szene geschrieben?)
  • dritte Spalte: kleine Zusammenfassung der Szene in wenigen Sätzen (breite Spalte)

Optional kannst du auch noch weitere Spalten verwenden, z. B. Ort, Zeit, Seitenzahl etc.

 

Szenen-Tabellen werden oft sehr lang und haben viele Zeilen. Außerdem ist es sinnvoll, während des Schreibprozesses immer wieder neue Versionen der Tabelle zu erstellen, um den Überblick zu behalten.

 

Nach Abschluss des Schreibprozesses kannst du noch eine weitere Spalte hinzufügen, die angibt, in welchem Kapitel die jeweilige Szene untergebracht ist. 

Schritt 9: Szenen-Beschreibung (optional)

Im neunten Schritt sollst du in ungefähr einer Woche eine erzählende Beschreibung jeder Szene anfertigen, die jeweils mehrere Absätze lang ist. Hier soll vor allem der grundlegende Konflikt jeder Szene herausgearbeitet werden und auch Dialoge kannst du hier schon einbauen. Hat eine Szene keinen Konflikt, fällt dir das spätestens jetzt auf und wenn das der Fall ist, baue einen Konflikt ein oder schreibe die Szene neu. 

 

Laut Ingermanson ist es sinnvoll, ein bis zwei Seiten pro Kapitel zu schreiben und dabei jedes Kapitel auf einer neuen Seite zu beginnen. Dieses Dokument kann dann ausgedruckt und je nach Bedarf immer wieder umsortiert werden, ohne alles durcheinander zu bringen. Auch die Überarbeitung einzelner Kapitel ist auf diese Weise sehr einfach. 

 

Während du den ersten Entwurf schreibst, wirst du diese Szenen-Beschreibung immer wieder überarbeiten. 

 

Ingermanson selbst ist der Meinung, dass dieser Schritt seine Zeit wert ist, überspringt ihn mittlerweile aber. Er glaubt, dass er ihn einfach nicht mehr braucht. 

Schritt 10: Erster Entwurf

An diesem Punkt geht es nun mit dem eigentlichen Schreibprozess los und du kannst mit den vorab erstellten Hilfsmitteln einen ersten Entwurf verfassen. 

 

Hier kannst du kreativ sein und kleinere Logikfehler, die mit Sicherheit noch existieren, ausbessern. Die Gesamtlogik deines Romans steht allerdings schon und deshalb kannst du recht zügig und flüssig schreiben – du weißt ja, was passieren wird.


Fazit

Die Schneeflocken-Methode von Randy Ingermanson ist eine sehr strukturierte Methode einen Roman zu schreiben. Sie ist vor allen Dingen für Autor:innen geeignet, die ihre Geschichten gerne plotten. Autor:innen, die das Plotten eher als hemmend empfinden, werden sich wahrscheinlich auch mit der Schneeflocken-Methode nicht anfreunden können. Außerdem wird es sicher viele Autor:innen geben, die zwar das Grundgerüst benutzen, aber einige Schritte ändern oder sie einfach auslassen. 

 

Das Schöne an der Schneeflocken-Methode ist, dass sie zwar sehr strukturiert daherkommt, aber viel Raum für Anpassungen lässt. Auch Randy Ingermanson selbst betont immer wieder, dass es sinnvoll sein kann, von seiner Methode abzuweichen und es so zu machen, wie es für einen selbst sinnvoll erscheint und funktioniert. Als Autor:in kann man sich also einfach das herauspicken, was für einen selbst das Beste ist. 

 

Persönlich glaube ich, dass die Schneeflocken-Methode ein toller Weg sein kann, relativ schnell die Rohfassung eines Romans zu schreiben. Ich finde auch die vielen Hilfestellungen, die die Methode bietet und auf die man immer wieder zurückgreifen kann, sehr charmant. 

 

Am Ende ist es jedoch wie mit allem im Leben: Für die einen passt es, für die anderen nicht. Vielleicht kommst du prima mit dieser strukturgebenden Methode zurecht und du kannst dir gar nicht mehr vorstellen, anders zu schreiben, vielleicht hemmen dich die einzelnen Schritte aber auch und du brauchst eine freiere Vorgehensweise. 


Dieser Blogartikel basiert auf dem Aufsatz The Snowflake Method For Designing A Novel von Randy Ingermanson, den er auf seiner Website Advanced Fiction Writing veröffentlicht hat, sowie auf seinem Buch How To Write A Novel Using The Snowflake Method.


Ich bin sehr gespannt auf deine Meinung! Hast du die Schneeflocken-Methode schon einmal ausprobiert? Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Hast du dir vielleicht nur einzelne Elemente herausgepickt? Zu Welcher Methode möchtest du noch einen Blogartikel von mir lesen?

 

Schreib mir deine Meinung, deine Anregungen oder deine Fragen! Ich freue mich auf dein Feedback! 

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